Heute schon selbst entschieden?

Wir werden oft gefragt: Was sind Glaubenssätze eigentlich? Für diese Frage benutze ich gerne das Bild eines Computers. Sie kenne den Ordner Autostart im Betriebssystem? Es handelt sich dabei um einen Ordner, der Programme enthält, die mit dem Start des Betriebssystems sofort geladen werden.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten 35 Programme in dem Autostart geschoben, die sich bei Start des Betriebssystems des PC alle nach einander öffnen, d.h. laden. Sie können sich vorstellen, dass dieser Vorgang dann doch etwas länger dauert, bis der Bildschirm von Programmen geflutet ist.

Jetzt bekommen Sie zum Arbeitsbeginn  die Aufforderung, innerhalb von 2 Minuten ein Dokument auszudrucken. Ein Außendienstmitarbeiter ist  auf dem „Sprung“ zum Kunden und braucht noch dringend dieses Dokument. Sie starten Ihren PC und warten 2,5 Minuten, bis alle Programme geladen sind, um dann im Explorer das Dokument zu finden. Leider zu später, der Außendienstmitarbeiter ist schon weg und war beim Verlassen Ihres Büros ziemlich sauer. Sie lehnen sich zurück und sind sicher alles gegeben zu haben. Sie können ja nichts dafür, dass der PC erst hochfahren und laden muss.

​​​​​​​Sind Sie sicher?

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Nehmen wir eine andere Situation. Ihnen wird vom Kollegen vorgeschlagen, bei dem Meeting in einer Stunde ein Kurzreferat über Ihren Arbeitsstand zu halten. Dieser Vorschlag kommt für Sie überraschend. Eigentlich fühlen Sie sich geehrt und sehen es als Chance, aber jetzt fährt Ihr inneres Betriebssystem hoch und alle Programme, sprich Glaubenssätze, werden geladen. In dem Moment, in dem der Gesprächspartner Sie warten anschaut, laufen bei Ihnen im Unterbewusstsein viele Programme ab. Bin ich denn gut genug dafür? Solle ich hier einfach nur den Lückenbüßer spielen? Ich sehe schon, wie viele der Zuhörer mit dem Handy spielen und nicht zuhören werden? Ja, ich bin doch eigentlich langweilig? Alles Reaktion aus früheren Subjektiven Erfahrungen.

Sie hören sich plötzlich sagen: "Nein heute nicht, mir fehlen noch ein paar Daten." Der Kollege sagt kurz: "Ok, dann frage ich jemand anderes." Wer hat das gerade gesagt: Heute nicht? War ich das wirklich?

Wir haben in früheren Zeiten z.B. als Kinder oder Jugendlicher das Leben überleben wollen. Und zwar so überleben wollen, dass wir uns seelisch schützen und die Aufmerksamkeit z.B. von Eltern  erhalten. Natürlich haben wir nicht die objektive Sicht. Wir haben Handlungen von uns mit dem Ergebnis verbunden. Ob es zutraf oder gar nicht so gut für uns war, das konnten wir nicht erkennen. Ah, wenn ich am Tisch beim Essen nichts sage, bekomme ich keinen Ärger. Ärger möchte ich nicht, dann mögen mich meine Eltern sonst nicht mehr. Und schon ist der erste Glaubenssatz geboren. Der Glaubenssatz hilft als Leitplanke Ihren Weg zu gehen. Vielleicht waren erlernte Glaubenssätze, das heißt aus Erfahrung gelernte Handlungen, auch für uns im Inneren lebensnotwendig. Nur diese gespeicherten Glaubenssätze werden nicht ständig der Gültigkeitsprüfung unterzogen. Muss ich noch so leben oder kann ich nicht als erwachsener Mensch die Glaubenssätze hinterfragen und ausstellen?

Wenn wir also gelernt haben, dass ich nur von den Eltern geliebt werde, wenn ich am Tisch beim Essen nicht spreche, dann ist dieser Glaubenssatz objektiv gesehen falsch. Besonders später als eigene Mutter oder Vater ist dieser Glaubenssatz ohne Wert. Aber wir erleben, dass wenn am Tisch gesprochen wird, wir es nicht haben können. Irgendwann sagen Sie plötzlich lautstark: Könnt Ihr nicht einmal am Tisch ruhig sein. Nein, sie sind eigentlich nicht gestresst, aber es rutschte aus Ihnen heraus. Sie haben abgespeichert, am Essenstisch reden ist nicht gut. Warum…das ist Ihnen nicht mehr klar.

Diese Glaubenssätze spielen eine große Rolle für Entscheidungen. Entscheidungen, so wie wir es in unserem Buch „Menschlichkeit rechnet sich“ beschrieben haben, ist der Raum vom Impuls zur Handlung. Wenn innerhalb dieses Raumes die Programme oder Glaubensätze hochfahren, können wir erstens nicht bewusst entscheiden, weil der Platz bereits eingenommen wird und zweitens übernehmen diese Programme autonom unsere Entscheidungen. Sie laufen einfach ab. Warum habe ich das schon wieder so gemacht, ich wollte doch etwas ändern?

Wenn wir unser Leben selber steuern wollen, um unsere Träume und Wünsche zu erfüllen, dann müssen wir unseren Entscheidungsraum zurückgewinnen. Wir müssen uns hinterfragen, warum habe ich jetzt schon wieder so reagiert, als ich unter Druck war, und wie hätte ich gerne reagiert.

Wenn Sie bereits erkennen, dass Sie gerade sich entscheiden lassen haben…Glückwunsch, denn Sie haben den ersten Schritt geschafft. Ich muss erst einmal erkenne, was und wann es passiert. Erst dann kann ich im zweiten Schritt sagen: Stopp! Programme stoppen. Sagen Sie Stopp und Sie merken es funktioniert. Das Gedanken-Karussell bremst, Sie erhalten einen Teil des  Raumes zurück. Jetzt sind Sie am Drücker und entscheiden, auch wenn es nur eine kleine Entscheidung ist, für Ihre Träume und Wünschen. Nach einigen Stopp-Momenten merken und genießen Sie immer mehr Ihre eigene Steuerungsfähigkeit, so dass die Motivation, weiter nach Glaubenssätze und Entscheidungsmomenten zu suchen, enorm ansteigt. Es fühlt sich einfach gut an. Sie müssen nicht so entscheiden, Sie wählen Ihre Entscheidung bewusst aus.

Sie erinnern sich noch an das Beispiel mit dem überraschenden Kurzvortrag? Der Kopf beginnt: "Ooh. Gott, das kann ich doch nicht."
Stopp…ich stoppe alle Programmen in mir und sage dem Kollegen, ich freue mich auf den Vortrag, denn ich habe was zu sagen.

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